"Aus diesem herzlosen Ort schreibe ich euch, liebe Kinder und Enkel": Der letzte Brief eines Covid-19-Opfers

von Julia

25 April 2020

"Aus diesem herzlosen Ort schreibe ich euch, liebe Kinder und Enkel": Der letzte Brief eines Covid-19-Opfers
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In einer Zeit, in der sich Ansteckungen mit Covid-19 weltweit in den Altersheimen häufen, verlieren Tausende Großväter und Väter ihr Leben an dieser Infektion. Ihr Tod hinterlässt eine schreckliche Leere bei den engen Verwandten, die sich nicht einmal ein letztes Mal verabschieden können. Der Brief von einem anonymen Patienten kurz vor seinem Tod im Altersheim bewegt nun die ganze Welt.

via Interris

Pixnio

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Der bewegende Brief eines italienischen Großvaters verbreitete sich innerhalb kürzester Zeit im Netz und wurde zuerst von der Zeitung Interris abgedruckt. Dies sind die bewegenden Worte: "Von diesem herzlosen Ort schreibe ich euch, liebe Kinder und Enkel. (In der Hoffnung, dass ihr ihn nach meinem Tod lesen könnt, gebe ich den Brief heimlich Schwester Chiara). Ich weiß, dass ich nur noch wenige Tage zu leben haben, an meinem Atem spüre ich, dass mir nur noch diese schmächtige Hand bleibt, um den Stift zu halten, den ich von einer jungen Dame bekommen habe, die ungefähr dein Alter hat, meine liebe Elisa. Sie ist die einzige Person, die mir in diesem Hospiz ein Lächeln schenkte. Aber seitdem auch sie eine Maske trägt, sehe ich nur noch ein kleines Aufblitzen in ihren Augen. Ein Blick, der anders ist, als der der anderen Pfleger, die einen nicht einmal grüßen. Ich wollte es euch nicht sagen, um euren Kummer nicht noch mehr zu vergrößern. Ich weiß, wie schwer es euch gefallen ist, mich in diesem schönen "Gefängnis" zu lassen. 

Ja, so dachte ich darüber. Ich erinnerte mich an einen Text von Don Oreste Benziche, einem Priester aus der Romagna, der von diesen Orten als "goldene Gefängnisse" sprach. Damals erschien mir das übertrieben, aber ich habe meine Meinung geändert. Man könnte zwar denken, dass es uns hier an nichts fehle, aber dem ist nicht so... Es fehlt das Wichtigste - eure Zuneigung, zu hören, wie ihr mich fragt 'Wie geht's dir, Opa?', die Umarmungen und Küsschen, das Schimpfen eurer Mutter, die ihr zum Fluchen bringt, und dann mein gespielter Schmerz, um sie abzulenken, damit alles vergessen ist. In diesen Monaten hat mir der Duft meines Zuhauses gefehlt, eurer Duft, das Lächeln, euch meine Geschichten zu erzählen und sogar die vielen Diskussionen. Denn das ist das Leben. Das bedeutet es, mit der Familie zu leben. Mit Menschen, die sich lieben und die sich geliebt fühlen. Und ihr habt mich so lieb gehabt, dass ich mich nicht einmal einsam fühlen musste, als meine Frau, mit der ich 60 Jahre zusammen war, immer zusammen war, starb.

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Pexels

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In meinen 85 Lebensjahren habe ich viel gesehen. Wie könnte ich das Elend der Kindheit vergessen, meinen Vater, der kämpfte, um geschätzt zu werden, und Mama, die auf jeden Atemzug geachtet hat. Und dann die Schule. Es war wie ein Traum, dorthin zu gehen, eine Freude, eine Ehre. Die Lehrerin war wie eine zweite Mutter. Und wenn man eine gute Note bekam, feierten alle. Und dann der Tag, an dem ich die Uni abschloss und mein erstes Plädoyer vor Gericht hielt. Wie vielen Menschen möchte ich danken, meiner Frau unendlich, dass sie mich ertragen hat, wie sehr euch Kindern, dass ihr mir immer vergeben habt, und meinen Enkeln für ihre bedingungslose Liebe. Von den wahren Freunden gibt es nur wenige, man kann sie wirklich an einer Hand abzählen, wie es in der Bibel steht. Und auch dem Pfarrer muss ich danken, dass er mir die Absolution meiner Sünden erteilt hat und ich danke ihm auch für die schönen Worte bei der Beerdigung meiner Frau.

Bevor ich zu schwach zum Schreiben werden, muss ich zumindest meinen Enkel eine Sache sagen... und vielleicht allen Enkeln der Welt. Nicht eure Mutter hat mich hierher gebracht, sondern ich war es, der meine Kinder, eure Eltern, davon überzeugt hat, damit ich niemandem Umstände bereiten würde. Ich wollte in meinem Leben nie jemandem zur Last fallen, vielleicht auch aus reinem Stolz. Und als ich sah, dass ich nicht mehr alleine zurechtkam, wollte ich nicht, dass ihr euch so an mich erinnert. Als hilfloser Mann, der zu nichts mehr zu gebrauchen ist.

Ich hätte mir natürlich nie vorstellen können, an was für einem Ort ich landen würde. Auf den ersten Blick ist alles sauber und ordentlich, es gibt auch ein paar höfliche Menschen, aber letztendlich sind wir alle nur Nummern. Für mich war es, als würde ich schon jetzt in einer Kühlkammer liegen. In diesen Monaten habe ich mich auch mehrmals gefragt: Warum haben die diese Arbeit gewählt, wenn sie immer genervt, mürrisch und gemein sind? Einmal sagte mir der Mann von der Putzkolonne ins Ohr: „Weißt du, warum die dich immer so anschreit? Sie erzählt immer, wie gewalttätig ihr Vater war. Wie soll so eine sich jemals einem Mann neutral gegenüber verhalten?“ Gott habe Erbarmen mit ihr. Aber warum arbeitet sie dann hier? Wird dieser ganze psychologische Kram, der in den letzten Jahrzehnten so gelobt wurde, nur dazu benutzt, den Schwächsten Leid zuzufügen? Das Denken und die Rechtsprechung zu manipulieren? Ich will nicht noch mehr sagen, weil ich keine Rache will. Aber ich will, dass ihr alle wisst, dass Altersheime meiner Meinung nach abgeschafft gehören, diese „goldenen Gefängnisse“. Und jetzt, da ich sterbe, kann ich es sagen, ja, ich bereue meine Entscheidung. Wenn ich zurück könnte und meine Tochter bitten könnte, bei euch bleiben zu dürfen bis zum letzten Atemzug, dann hätten eure Tränen mit meinen vereint wenigstens mehr Sinn gehabt als die eines armen Alten, anonym, vereinsamt und behandelt, wie ein verrostetes also auch gefährliches Ding.

Dieses Coronavirus wird uns zum Schafott bringen, aber ich habe schon an dem Geschrei und dem barschen Verhalten gemerkt, dass ich es nur noch eine kurze Zeit aushalten muss... Neulich hat mir die Krankenschwester schon gesagt, dass sie nicht weiß, ob sie mich künstlich beatmen werden oder nicht, wenn mein Zustand sich verschlechtert. Meine Menschenwürde, meine Würde als guter, immer freundlicher und höflicher Mann wurde schon getötet. Weißt du, Michelina, den Bart schnitten sie mir nur, wenn sie wussten, dass ihr kommen würdet, dasselbe mit frischer Kleidung. Aber ich bitte euch, unternehmt nichts... Ich suche keine irdische Gerechtigkeit, auch die ist oft so enttäuschend und unglücklich. Aber lasst meine Enkel wissen (und die vielen anderen Kinder und Enkel), dass es vor dem Coronavirus noch etwas viel Schlimmeres gibt, das tötet: Die Abwesenheit auch nur des kleinsten bisschen an Respekt, die absolute Verantwortungslosigkeit. Und wir Alten, die hier nur eine Nummer sind, werden, wenn wir nicht mehr da sind, von dort oben im Himmel am Gewissen derjenigen pochen, die uns so schlecht behandelt haben. Wir werden solange pochen, bis sie aufwachen, und den Kurs wechseln, bevor ihnen das angetan wird, was sie uns angetan haben.

Euer Opa.“

Ein klarer und bewegender Brief, der uns viel über die aktuelle Situation nachdenken lässt, über die Bedeutung von Vätern und Großvätern auf der ganzen Welt, über die Bedeutung der Erinnerung und über das Leben selbst.

 

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